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KLEINGÄRTEN
IM ZEITSPIEGEL - NUTZUNG FRÜHER UND HEUTE
Kleingartengestaltung im Spiegel der gesellschaftlichen
Entwicklung
Kleingärten
sind Nutzgärten – das ist ihre ursprüngliche Funktion, das
ist – über das Bundeskleingartengesetz hinaus – auch heute
noch ihre eigentliche Daseinsberechtigung. Ohne Obst- und Gemüseanbau
keine Kleingärten, Punkt.
Es gibt die Urangst des Vereinsvorstandes, der Pächter könnte
Lücken in der Gartenordnung entdecken, die ihm unkontrolliertes
Gestalten ermöglichen, und den genauso archaischen Ehrgeiz der
„Gärtner“, eben diese Lücken zu finden und auszunutzen,
frei nach dem Motto: „Was nicht verboten ist, ist erlaubt!“.
Die Vielfalt der Gartengestaltung ist kein „Teufelswerk“,
sondern ein notwendiger Teil der Kleingartenkultur und ein
Qualitäts- und Alleinstellungsmerkmal, ja noch mehr: Sie ist
einer der Schlüssel zum Erfolg einer Kleingartenanlage.
Der
Anfang – Kleingarten als Nutzgarten
Die ersten Kleingärten bestanden aus einem Stück Land, urbar
gemacht, umzäunt, mit schmalem Weg, wenn man es luxuriös
wollte noch mit einem Geräteschuppen oder vielleicht einer
Wasserstelle. Der Zweck: Obst- und Gemüseanbau, Nahrungsmittel
erzeugen, Hunger stillen und sonst gar nichts. Gestaltung
interessierte damals, an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert
niemanden, man hatte andere Probleme.
Deshalb die Urform des Kleingartens: ein rechteckiger Grundriss,
mittiger Weg, seitlich angelagerte Beete und im Hintergrund des
Grundstückes ein Plätzchen für den kurzfristigen Aufenthalt
– das war einfach herzustellen und erfüllte mit minimalem
Aufwand alle notwendigen Funktionen. Die beiden Weltkriege
trugen dann auch nicht dazu bei, dass sich bei der Ausgestaltung
der Kleingärten eine besondere Raffinesse hätte entfalten können
– vorderstes Ziel war und blieb die preiswerte Erzeugung von
Nahrungsmitteln.
Die 50er und 60er Jahre – Verfeinerung des
Nutzgartenprinzips
Erst in den beiden Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg wurden
die Kleingärten luxuriöser – ohne dass das Nutzgartenprinzip
gänzlich aufgegeben wurde. Das heißt, nach wie vor dominierte
der rechteckige Grundriss und eine am rechten Winkel
ausgerichtete Gestaltungsgeometrie. Die Raumeinheiten
differenzierte sich jedoch und es entstanden Nischen für
spezielle Inhalte – etwa für Staudenbeete, Wasserbecken,
Kunstgegenstände und – ja auch für Gartenzwerge. Obst und
Gemüse hielten sich nach wie vor an den ordentlichen Rahmen,
die Pflanzen standen in Reih und Glied. Insgesamt war dieser
verfeinerte Nutzgarten ein Musterbeispiel an Effizienz und
Raumausnutzung und gilt deshalb auch heute noch in vielen
Vereinen als Idealbild eines typischen Kleingartens.
Die 70er und 80er Jahre – Kleingarten als Ökogarten
Die Öko-Bewegung der 70er Jahre brachten das tradierte Bild
eines Gartens gehörig durcheinander: Auf einmal sollte nicht
mehr der aufgeräumte, sauber gepflegte und ordentlich
bewirtschaftet Garten das Ideal sein, sondern ein am Vorbild der
Natur orientiertes, kontrolliertes Chaos (zumindest empfanden
das die Traditionalisten so). Der Gärtner sollte demnach die
Pflanzen gewähren lassen , anstatt sie zu züchtigen, in freier
Anordnung pflanzen und nicht wie zuvor im Raster, er sollte
Brennnesseln und Giersch nicht mehr als Feinde, sondern als
Freunde akzeptieren, Pflanzenschutzmittelpackungen in die
hinterste Ecke seiner Laube verbannen und nur noch mit den natürlichen
Zersetzungsprodukten des Komposthaufens düngen.
Diese neue und unerhörte Philosophie beschränkte sich nicht
nur auf die Nutzung des Gartens, sondern manifestierte sich auch
und vor allem in der Gestaltung. Weiche, runde Formen waren auf
einmal angesagt, verschlungene Wege, organische, unregelmäßige
geformte Beete und Naturmaterialien wie Ziegel und Holz statt
Beton und Bitumen. Reisighaufen für die Igel und Echsen sollten
in allen Winkeln des Gartens angelegt werden, statt zehnmal pro
Saison sollte der Rasen nur noch einmal gemäht werden, damit er
möglichst arten- und blütenreich sei, und natürlich galt es,
Biotope zu schaffen: Teiche, Trockenmauern und die in den Ästen
der Gehölze beheimateten Nisthilfen.
Das Leitbild des ökologischen Gartens stößt nach wie vor bei
vielen Vorständen auf Skepsis und Unbehagen: zu nahe stehen
sich der ökologische und der verwahrloste Garten. Ist die 40 cm
hoch stehende , löwenzahndominierte Wiese ein artenreiches
Biotop, oder war der Pächter nur zu bequem zum Mähen? Mit
anderen Worten: Sollte man den Pächter abmahnen oder im nächsten
Kleingartenwettbewerb auszeichnen?
Das neue Jahrtausend – Kleingarten als Wellnessgarten
Das Jahr 2000 kam, und nichts passierte (nicht einmal die
vereinigte „Computerschaft“ dieser Erde kollabierte wie
vorausgesagt), aber zurück blieb eine gewisse Empfänglichkeit
für „weiche“ Themen, eine Hinwendung zum Menschen und zu
sich selbst: Glauben und Esoterik, Naturheilkunde und Wahrsagen,
Yoga und Meditieren, Ayurveda und Tai-Bo, Fitness und Sport,
gesunde Ernährung und Fasten – die große Zeit der Wellness
begann.
Natürlich konnte diese Bewegung auch am Garten nicht folgenlos
vorüberziehen und so entstanden Feng-Shui-Gärten, geometrische
Gärten, Sinnesgärten, Duft- und Schmeckgärten, Zauber- und
Hexengärten, Liebesgärten und Paradiesgärten, und all das war
neu und aufregend. Die Bewegung ist inzwischen auch in den
Kleingärten angekommen. Sie erlaubt neue, interessante
Formenspiele mit Kreisen, Ellipsen und Parabeln, führt fernöstliche
Pflanzen wie Bambus in die Gärten ein (Geht das mit unserer
Gartenordnung?), spielt mit ungewöhnlichen Materialien (Glas,
Metall, Stoffgewebe) oder bereichert unsere Anlagen mit
ungewohnten Accessoires wie Windpfeifen, Wasserwippen,
Gebetsfahnen. Selbst das gute alte Gemüsebeet kann als
esoterisch angehauchte Gemüsespirale wiedergeboren werden.
Auch, wenn das nicht jedermanns Sache ist und für die meisten
Kleingärtner und Vereinsvorstände fremd erscheint, ignorieren
kann man die neue Bewegung jedenfalls nicht, sie ist im vollen
Gange.
Was bedeutet Gartenplanung heute?
Gartenplanung heute bedeutet ein riesiges Arsenal an Formen,
Materialien und Gestaltungsmitteln aus allen Epochen unserer
Zivilisation, die frei kombinierbar sind und mit denen höchst
individuelle und originelle Gärten angelegt werden können. Die
möglichen Gartenbilder sind (fast) alle mit unseren
Gartenordnungen in Einklang zu bringen.
Beispiel: Die BUGA-Kleingartenanlage
Neue Ideen für junge Leute braucht das Kleingartenwesen
angesichts gesellschaftlicher und demografischer
Entwicklungsprozesse dringender als alles andere. Die
Bundesgartenschau 2005 in München hat eine Kleingartenanlage
mit 19 Parzellen hervorgebracht, deren Entstehungsgeschichte so
unglücklich wie erstaunlich ist und die eigentlich keine Chance
hatte, irgendeinen Beitrag zur Diskussion der
Kleingartengestaltung zu leisten. Dennoch ist es den Beteiligten
– durch viel Engagement und eine gehörige Portion positives
Denken – gelungen, eine Anlage zu konzipieren, die Denkanstöße
für die Zukunft des Kleingartenwesens zu formulieren vermag und
die von den Besuchern der BUGA nicht nur weitgehend positiv
aufgenommen wurde, sondern die auch im Brennpunkt der öffentlichen
Diskussion stand.
Grundgedanke der BUGA-Kleingartenanlage war es, die drei
wichtigsten der oben beschriebenen Gestaltungskategorien für (Klein-)Gärten
real baulich umzusetzen und den Besuchern zu präsentieren;
- den Kleingarten als Nutzgarten (gelb)
- den Kleingarten als Ökogarten (grün)
- den Kleingarten als Wellnessgarten (blau)
Wichtig dabei: Die Gärten waren – wie sie auch angelegt sein
mochten – immer Nutzgärten; ihre Gestaltung wurde mit dem
Gartenreferat der Stadt München abgestimmt und entspricht
sowohl dem Bundeskleingartengesetz als auch der Münchner
Gartenordnung!
Nutzgarten
Der Nutzgartentypus konnte historisch, klassisch oder modern
interpretiert werden.
Ökogarten
Als typische Elemente für alle Ökogärten konnten
Trockenbiotope (z.B. Trockenmauern) vereinbart werden.
Wellnessgarten
Am prägnantesten ist ein Feng-Shui-Garten, an dessen eingängiger
Grundform einer „Gemüsespirale“ ausgerichtet sich ein
gelassenes, in sich ruhendes Gartenbild mit schönen Details
entwickelten.
Ausblick: Wohin geht es?
Die
neuen Kleingartenanlagen werden nicht wie die alten sein, weil
die jungen Leute nicht sind wie die alten. Sicher aber ist: Das
Kleingartenwesen hat eine Zukunft, weil die Grundidee gut ist
und weil sie wandlungsfähig ist. Wir müssen diese Wandlung fördern,
Trends für die Zukunft gibt es genügend.
Am Horizont sehen die Propheten unter anderem dämmern:
- Garten-Cocooning (das Sich-Zurückziehen in die eigene
Gartenwelt)
- Themengärten
(der Schlossgarten,
der weiße Garten, der mediterrane Garten, ...)
- Ethnische Gärten
- Generationengärten
- Soziale Gärten
- Gesundheitsgärten
- Futuristische Gärten
Wie man sieht: Es bleibt spannend.

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